Statistische Auswertung von Verletzungsdaten

Die Verletzungstabelle der Hinrunde 2014/15

Wenn ein Verein schlechter abschneidet als erwartet, ist eine gern gesehenene Erklärung: Verletzungspech. Doch welche Vereine können das diese Saison wirklich behaupten? Unsere Verletzungstabelle für die Hinrunde der Bundesliga-Saison 2014/15:

Die Verletzungstabelle: Gladbach hat die wenigsten Verletzungssorgen, Bayern die größten

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Diesmal zählen Führungsspieler mehr

HINWEIS: Dieser Abschnitt erhält Erklärungen zur Berechnung, direkt weiter mit den Ergebnissen geht es hier

Zur Erklärung vornweg: In der Verletzungstabelle 2013/14 haben wir einfach die Veretzungstage aller Spieler addiert und das Ergebnis durch die Kadergröße geteilt. Das hat aber ein Problem: Ersatzspieler sind genauso viel Wert wie Führungsspieler, obwohl der Ausfall letzterer für Team viel schmerzhafter ist. Wie kann man das Problem lösen?

Hier greifen wir auf den Goalimpact zurück, ein von Jörg Seidel entwickeltes Maß, das sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt und das berechnet, wie wichtig ein Spieler für seinen Team ist. Führungsspieler wie etwa Philipp Lahm haben einen Goalimpact-Wert von fast 200, Bankdrücker nicht weit über 60.

Wir multiplizieren nun den Goalimpact zum Zeitpunkt der Verletzung mit den Ausfalltagen (und teilen das ganze am Ende durch 100. So entsteht ein Wert, der sich mit den Ausfalltagen vergleichen lässt). In unserem Beispiel mit Lahm geht die Verletzung eines Führungsspielers also fast viermal so stark in die Statistik ein wie die Verletzung von unwichtigen Spielern. Der Endwert wird höher.

Wie im vergangenen Jahr berücksichtigen wir auch wieder die Kadergröße: Die Summe aller Ausfalltage (multipliziert mit dem jeweiligen Goalimpact des Spielers) dividieren wir am Ende durch die Kadergröße. Somit entsteht ein vergleichbarer Wert: Der Verletzungspunkte-Score.

Bayern München: Eine Klasse für sich

Jetzt aber zu den Ergebnissen. Und da gleich ein Paukenschlag: Ja, es ist wahr, Bayern München war in der Hinrunde das am stärksten von Verletzungen gebeutelte Team. Die langen Ausfälle von Führungsspielern wie Lahm, Martínez, Alaba oder Thiago treiben den Verletzungspunkte-Score in die Höhe (53,64!). Die große Stärke der Bayern: Der breite Kader. Das erklärt wohl, warum der Rekordmeister trotz des großen Verletzungspechs einsam seine Kreise an der Tabellenspitze dreht.

Würde man übrigens nur die durchschnittlichen Ausfalltage pro Spieler berechnen, käme man auf einen Wert von 39,04 und die Bayern wären nur Viertletzter. Das wird den wirklich schmerzhaften Ausfällen von Lahm, Alaba und Co. aber nicht gerecht.

Wolfsburg, Leverkusen, Gladbach, Hoffenheim: Machtlose Verfolger?

Umso erstaunlicher, was hinter den Bayern passiert: Borussia Mönchengladbach hat das mit Abstand niedrigste Verletzungspech der Hinrunde (Verletzungspunkte-Score: 15,76) – das reicht jedoch nicht annähernd, um ernsthafter Bayern-Verfolger sein zu können. Platz 4 in der Liga und 17 Punkte Abstand.

Auch beim VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen sieht es nicht anders aus: Beide liegen, was Verletzungspech betrifft, sehr gut im Rennen (Verletzungspunkte-Score: 27,15 bzw. 27,25) – der Zweite und der Dritte der Liga können die Bayern trotzdem nur noch mit dem Fernglas an der Tabellenspitze beobachten.

Ähnliches gilt für 1899 Hoffenheim. Die TSG blieb weitestgehend von Verletzungssorgen verschont (Verletzungspunkte-Score: 22,79) – und schneidet in der Verletzungstabelle noch deutlich besser ab als Wolfsburg und Leverkusen. Trotzdem haben die Kraichgauer in der Hinrunde sogar noch einen Punkt weniger gesammelt als das Werksclub-Duo.

Schalke und Frankfurt: Vorne trotz Verletzungssorgen

Ganz umgekehrt ist die Lage beim FC Schalke 04. In der Saison 2013/14 hatten die Königsblauen schon das größte Verletzungspech, diesmal liegen sie mit einem Verletzungspunkte-Score von 48,76 auf dem vorletzten Rang. Dass Schalke trotz langer Ausfälle von Spielern wie Draxler (Goalimpact: 119), Farfán (122) oder Kolasinac (115) nach wie vor zur Spitzengruppe der Liga gehört, ist aller Ehren Wert.

Ähnliches gilt für Eintracht Frankfurt. Platz 15 in der Verletzungstabelle (Verletzungspunkte-Score: 40,74), bedingt durch Kreuzbandrisse und andere langwierige Bänderverletzungen, und trotzdem 23 Punkte in der Hinrunde. Eine starke Marke.

Augsburg: Lauf Dank Verletzungsfreiheit?

Alle reiben sich verwundert die Augen, dass der FC Augsburg tatsächlich um die Champions-League-Plätze mitspielt. Eine mögliche Erklärung: Das Verletzungspech ist den Augsburgern weitestgehend ferngeblieben. Ein Score von 26,24 ist zwar um einiges höher als der der Top3 – aber immer noch sehr niedrig im Vergleich zu Teams mit ähnlichen Mitteln.

Hannover: Mittelfeld in beiden Tabellen

Hannover 96 hatte mit durchschnittlich vielen Verletzungen zu kämpfen (Verletzungspunkte-Score: 30,42). Die langwierigen Ausfälle von Hoffmann und Andreasen werden durch zum Zeitpunkt der Verletzung niedrige Goalimpact-Werte relativiert (94 bzw. 87). Somit liegt Hannover nicht nur in der Bundesliga, sondern auch in der Verletzungstabelle im Mittelfeld.

Paderborn: Verletzungsfreiheit als Erklärung

Fast alle Experten hatten den SC Paderborn vor der Saison als Abstiegskandidaten Nummer 1 auf dem Zettel. Dass die Ostwestfalen die Liga aufmischten, könnte auch daran liegen, dass sie wenig vom Verletzungspech verfolgt waren. Ein Verletzungspunkte-Score von 20,11 ist der zweitbeste Wert der Liga – und vielleicht die Erklärung für die überraschend starke Hinrunde der Paderborner.

Mainz und Köln: Leichte Differenz

In der Verletzungstabelle stehen der FSV Mainz und der 1. FC Köln in der oberen Tabellenhälfte – in der Bundesliga sieht es genau umgekehrt aus. Verletzungspech ist bei Verletzungspunkte-Scores von 28,35 (Mainz) und 29,49 (Köln) also nicht die erste Erklärungsvariable, warum es bei beiden in der Hinrunde nicht immer rund lief.

Berlin und Hamburg: Verletzungspech ist eine Erklärung

Hertha BSC kam in der Bundesliga nach ordentlichem Start zuletzt gewaltig ins Stottern. Eine mögliche Erklärung: Wichtige Spieler wie Julian Schieber (Goalimpact 119, 26 Tage), Valentin Stocker (129, 80) oder Fabian Lustenberger (116, 68) fehlten längere Zeit, dazu kamen weitere Ausfälle von mittelmäßigen Spielern. Alles in allem führt das zu einem Verletzungspunkte-Score von 38,23 (Platz 14), der einem Team mit den Möglichkeiten von Hertha BSC schon Probleme bereiten kann.

Probleme hat auch der Hamburger SV. Wirtschaftlich, sportlich – aber das eben auch durch Verletzungen. Die Hamburger liegen in unserer Tabelle auf dem 13. Platz (Verletzungspunkte-Score: 36,98). Nicht verwunderlich, wenn Spieler wie Beister (Goalimpact 119) oder van der Vaart (135) in der Hinrunde schon längere Zeit ausgefallen sind.

Stuttgart, Freiburg und Bremen: Am Verletzungspech lag es nicht

Warum der SV Werder Bremen, der VfB Stuttgart und der SC Freiburg mittendrin im Abstiegskampf stecken, lässt sich nicht mit Verletzungen erklären. Zwar fehlten bei den beiden baden-würrtembergischen Teams wichtige Spieler wie Oliver Sorg (Goalimpact: 119) oder Daniel Ginczek (113) für lange Zeit – solche Ausfälle von Führungsspielern waren aber eher seltener.

Bremen kommt zwar rein nach Verletzungstagen von den drei Teams auf die meisten Verletzungstage gesamt (1091) – das wird aber relativiert durch die Tatsache, dass nur Spieler mit einem eher mittelmäßigen bis unterdurchschnittlichen Goalimpact betroffen waren und dazu der Bremer Kader von den Dreien am größten ist. So kommen Stuttgart, Freiburg und Bremen auf einen annährend gleichen Verletzungspunkte-Score (~33) – eigentlich ein Mittelfeldplatz. Der den Abstiegskampf nicht wirklich erklärt.

Borussia Dortmund: Ja es ist Verletzungspech…aber nur?

Keine Frage: Borussia Dortmund ist gebeutelt. Reus, Mhkitaryan, Bender, Pisczek, Hummels, Sokratis…Die Liste von Führungsspielern, die in dieser Saison ausgefallen sind beim BVB lässt sich beliebig verlängern. Alles in allem fhrt das zu einem Verletzungspunkte-Score von 43,32. Nur Schalke und Bayern hatten nach unserer Berechnung mehr Verletzungspech.

Und trotzdem darf die Frage erlaubt sein: Wieso schaffen es die beiden letztgenannten mit sehr ähnlichen Mitteln und Voraussetzungen, oben mitzuspielen, während der BVB mit gleichen Ansprüchen hinten drin steht? Verletzungspech alleine ist es vielleicht doch nicht.

3 Kommentare

  1. Ich

    Naja, das mit dem GoalImpact ist zwar eine nette Sache, aber andererseits: Wenn ich das richtig verstehe müssten doch Spieler von Bayern München alle einen hohen GoalImpact haben, oder? Denn Bayern gewinnt ja (fast) jedes Spiel. Demnach wäre der Ausfall eines Stammspielers von Bayern immer höher gewichtet als der Ausfall eines Stammspielers von z.B. Hamburg oder Bremen, oder? Vermutlich wäre sogar der Ausfall eines Ergänzungsspieler der Bayern schmerzhafter als der eines Stammspielers von Hamburg? Passt ja dann auch irgendwie nicht. Aber wie es realistischer geht? Keine Ahnung… Auf jeden Fall eine interessante Statistik!

  2. Ich Auch

    Die aussagekräftigste Tabelle würde man wohl erstellen können, wenn man bei den fehlenden Spielern den Goalimpact des jeweiligen Ersatzspielers abzöge. Dann würde genau der fehlende Impact gewertet.

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